Der Spracherwerb

Symbol Sprachbaum – Sprechen als Ergebnis einer positiven Gesamtentwicklung

Spracherwerbaus Wendlandt 1995Die Sprachentwicklung des Kindes lässt sich anhand eines Schaubildes veranschaulichen: Das Kind verfügt nicht von Anfang an über „Sprache“: Sie entwickelt sich langsam und in einer bestimmten Abfolge – wie eine kleine Pflanze, die zum Baum wird. Zuerst müssen die Wurzeln wachsen und festen Halt im Boden finden, dann entwickelt sich der Stamm um später eine ausladende Krone entfalten zu können. Die Krone soll in unserem Schaubild die ausgebildete Sprache darstellen, die sich untergliedert in die Bereiche „Wortschatz“, „Artikulation“ und „Grammatik“. Der Stamm symbolisiert die Voraussetzungen, nämlich das Sprachverständnis und die Sprechfreude, die gegeben sein müssen, damit sich die Sprache (die Äste und Zweige der Krone) ausdifferenzieren kann. Und die Wurzeln symbolisieren zugrunde liegende Entwicklungsprozesse, die das Kind durchlaufen muss, um überhaupt fähig zu werden Sprache zu erwerben und anzuwenden.

 

Was wäre ein Baum ohne ausreichend Licht und Wärme? Er bliebe ein mickriges Pflänzchen. So müsste es auch einem Kind ergehen ohne die liebevolle Wärme und Akzeptanz seiner Eltern und Erzieher, ohne Geborgenheit und Schutz, ohne Sicherheit und Fürsorge. Aber die Umwelt ist für den Baum nicht nur wegen des Lichtes und der Wärme wichtig, er ist auch auf tägliche Nährstoffe, auf Wasser angewiesen. „Wasser“ symbolisiert in unserem Schaubild das tägliche Miteinanderreden, das Kommunizieren und sich sprachlich oder nichtsprachlich In-Beziehung-Setzen. Und die „Erde“ soll die Lebensumwelt des Kindes darstellen, Kultur und Gesellschaft, die grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben.

 

Eltern und Erzieher können durch die Art, wie sie mit ihrem Kind reden, die Sprachentwicklung „giessen“, sie anregen und fördern. Sie können aber auch, wenn das Wasser ausbleibt oder im Übermass fliesst, den Baum verkümmern lassen, sodass Teile der Krone sich erst gar nicht entwickeln können oder aber verdorren.

 

Checkliste: Was sollte das Kind wann können?

Die folgende Checkliste soll Ihnen die Möglichkeit bieten, sich einen groben Überblick über die durchschnittliche Entwicklung eines Kindes in den ersten fünf Lebensjahren zu verschaffen. Bitte beachten Sie, dass diese Richtlinien kein Massstab sind, an den Sie Ihr Kind bedingungslos anlegen können.

 

Sie müssen immer die Gesamtentwicklung Ihres Kindes im Auge behalten. Kinder entwickeln sich in Schüben, d.h. man muss sich nicht direkt Sorgen machen, wenn sie in einem Bereich mal keine Fortschritte machen. Vielleicht sind sie gerade mit einem anderen Bereich beschäftigt. Wenn Ihr Kind aber so sehr von den Richtlinien abweicht, dass es Sie beunruhigt, sollten Sie nicht zögern, eine Logopädin hinzuzuziehen. Es ist besser, den Spracherwerb präventiv zu überprüfen, als etwas zu versäumen.

 

  Sprachverständnis Artikulation

Wortschatz

Grammatik
bis 1 Jahr Reaktion auf den eigenen Namen; Verstehen einfacher Aufträge Gurren, Lallen, Silben;
Lallen, bei dem die Silben verdoppelt werden (z.B: „gaga“)
erste Wörter;
Kleine Wörter in „Babysprache“: Mama, Papa, Balla
Einwortsätze
bis 2 Jahre Verstehen einfacher Aufforderungen und Fragen m, b, p, n, l, w, f, t, d Nomen, Verben, Adjektive
Fragen
Körperteile
kreative Wort-neuschöpfungen
Zweiwortsätze
bis 3 Jahre Verstehen alltäglicher Äusserungen

k, g, ch, r, kn, b, gr

das Kind beginnt, schwierige Lautverbindungen zu lernen
Wortschatzexplosion
Fragewörter
Ich-Form
Personalpronomen
Präpositionen
Dreiwortsätze
Hilfsverben
Vergangenheits-formen
Personalpronomen
bis 4 Jahre Verstehen von Gegensätzen und Feinabstufungen Bis auf Zischlaute (s, z, sch) und schwierige Konsonanten-verbindungen (z.B. kl, dr) beherrscht das Kind die Laute der Muttersprache Farben, Formen Nebensätze
bis 5 Jahre weiteres Wachstum des passiven Wortschatzes Zischlaute (s, sch, z) und Konsonantenverbindungen
Insbesondere bei der Aussprache von s, sch und r finden sich bei rund der Hälfte der Kindergartenkinder noch Schwierigkeiten
Zahlen bis zehn
Erste abstrakte Begriffe
Nennen des Vor- und Nachnamens
komplexe Sätze
verschiedene Zeit- und Pluralformen
Geschichte erzählen